Entschädigungsansprüche bei Betriebsschließungen - Ein Update
Dr. Thorsten Feldmann • 16. Juli 2021
Betriebsschließungen infolge von Coronaschutzmaßnahmen - Entschädigungen?
Ursprünglicher Beitrag: Mitte 2020
Um das Infektionsgeschehen kapazitätsgerecht zu steuern und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, haben alle Bundesländer gestützt auf § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Coronaschutzverordnungen (CoronaSchVO) erlassen mit zum Teil weit reichenden Einschränkungen und wirtschaftlichen Folgen für Einzelhandelsbetriebe. Die Einschränkungen haben bundesweit zu gravierenden Umsatzeinbußen geführt. Angesichts dessen stellt sich die berechtigte Frage nach staatlicher Entschädigung.
1. Entschädigungsansprüche nach dem IfSG
Das IfSG sieht in § 65 I sowie in § 56 I Entschädigungsansprüche vor. Eine mittelbare Anwendung des §§ 67 I IfGG scheidet indes aus. § 65 IIfSG setzt Maßnahmen zur Verhinderung einer übertragbaren Krankheit voraus. Die Entschädigungsnorm findet keine Anwendung bei einem bereits erfolgtem Ausbruch der Krankheit, wenn es primär um die Verhinderung der Ausweitung eines Infektionsgeschehens geht. Zum Zeitpunkt des Erlasses der CoronaSchVO bestand jedoch bereits eine pandemische Entwicklung.
Demgegenüber kommt § 56 I IfSG zur Anwendung, wenn eine Infektionskrankheit bereits ausgebrochen ist. Die zumindest unmittelbare Anwendung dieser Norm ist ebenfalls zweifelhaft. Zielsetzung der Betriebsschließungen war die Realisierung einer Kontaktsperre zu Verhinderung der weiteren Ausweitung der Virusinfektion. Zielsetzung war nicht, – nachweislich – infizierten Personen gewerbliche Tätigkeit zum Schutz der Allgemeinheit zu untersagen.
Denkbar und in der juristischen Diskussion vertreten, ist die analoge Anwendung des §§ 56 I IfSG. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt bislang noch nicht vor. Vorsorglich sollten betroffene Einzelhändler und Unternehmen Entschädigungsansprüche nach dem IfSG stellen. Die Antragsfrist beträgt zwölf Monate ab Betriebsschließung.
2. Enteignungsgleicher Eingriff
Voraussetzung ist ein rechtswidriger staatlicher Eingriff in eine geschützte Rechtsposition. Die Betriebsschließungen stellen zweifelsfrei einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (Art.14 GG). Zweifelhaft ist allerdings die Frage der Rechtswidrigkeit. Verschiedene Oberverwaltungsgerichte haben die CoronaSchVO für rechtmäßig und die darauf gestützten Betriebsschließungen als zulässig erachtet. Der Schutz des Lebens und der Gesundheit seien höherrangig zu bewerten.
Der enteignungsgleiche Eingriff setzt allerdings voraus, dass der Betroffene zunächst erfolglos Rechtsmittel gegen die CoronaSchVO eingelegt habt. Insoweit gilt der Vorrang des Primärrechtsschutzes. Hieran dürften Entschädigungsansprüchen in den meißten Fälle scheitern
3. Enteignender Eingriff
Im Gegensatz zum enteignungsgleichen Eingriff kommt der enteignende Eingriff bei einem rechtmäßigen staatlichen Eingriff in geschützte Rechtspositionen zum Tragen. Voraussetzung ist das ein Sonderopfer vorliegt. Dies ist dann anzunehmen, wenn besondere Belastungen vorliegen im Verhältnis zu den übrigen Bürgern bzw. Handelsbetrieben. Dies kann mit guten Gründen bejaht werden. Die Betriebsschließungen erfolgten in einem übergeordneten Interesse der Allgemeinheit. Mit den Betriebsschließungen sollte erreicht werden, das Infektionsgeschehen kapazitätsgerecht zu steuern, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Dies hat zu höheren Belastungen und Einschränkungen der Einzelhandelsbetriebe im Vergleich zu den übrigen Teilen der Gesellschaft geführt.
Auch hier gilt der Vorrang des Primärrechtsschutzes. Da es um ein rechtmäßiges staatliches Handeln geht, wird man vertreten können, dass in diesem Fall kein Primärrechtsschutz erforderlich ist.
4. Amtshaftungsansprüche
Amtshaftungsansprüche werden nicht in Betracht kommen. Insoweit fehlt es an der vorliegenden Drittbezogenheit der Amtspflicht. Die Corona Schutzverordnung begründet Pflichten gegenüber der Allgemeinheit. Zudem gilt auch beim Amtshaftungsanspruch der Vorrang des Primärrechtsschutzes.
5. Entschädigungsansprüche nach dem Polizei – und Ordnungsrecht
Entschädigungsansprüche nach dem Polizei – und Ordnungsrecht sind in den jeweiligen Bundesländern unterschiedlich geregelt und ausgestaltet. Zentraler Gedanke ist, dass bei der Inanspruchnahme eines Nichtstörers diesem eine Entschädigung zukommen soll. In der Regel kommt eine Entstehungsanspruch allerdings nicht zum Tragen, wenn auch der Nichtstörer durch die staatliche Handlung geschützt werden soll. Es lässt sich durchaus argumentieren, dass die Betriebsschließungen, die eine kapazitätsgerechte Steuerung des Infektionsgeschehens zum Ziel haben, letztlich auch im Interesse des betroffenen Einzelhändlers bzw. Unternehmers liegen.
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BGH v. 30.1.2024, VIII ZB 43/23